Die Stader Handballerin Julia Wichern ist ein Phänomen. Das sagen ihr Trainer und sogar die Mannschaftsärztin. Die 34-Jährige hat drei Mädchen zur Welt gebracht. Wie kann sie jeweils nur sieben Wochen nach der Geburt wieder auf dem Spielfeld stehen?

Anna ist vier. Lily zwölf Monate. Sechs Wochen nach der Geburt von Lily ging Julia Wichern schon wieder laufen. Bei Lina und Anna war es ähnlich. Das erste Mal Laufen sei hart gewesen, sagt Julia Wichern. „Ich habe gerade so einen Fuß vor den anderen bekommen.“ Aber die Fitness kam relativ schnell zurück. Nach sieben Wochen nahm Julia Wichern wieder einen Ball in die Hand.

Julia Wichern spielt beim VfL Stade in der dritten Liga, in der dritthöchsten deutschen Spielklasse. Im vergangenen Jahr feierte der Verein den Aufstieg. Stade will jetzt die Liga halten und ab nächstem Sommer in der neuen, 1000 Zuschauer fassenden Arena auf dem Bildungscampus Riensförde spielen. In der laufenden Saison absolviert die Mannschaft ihre Heimspiele in der Fredenbecker Geestlandhalle. Der VfL freut sich auf die Handballfeste in Stade.

Julia Wichern spielte fünf Jahre Bundesliga beim BSV

Bevor Julia Wichern im Jahr 2015 zum VfL Stade wechselte, spielte sie fünf Jahre lang für den Buxtehuder SV in der ersten Bundesliga, für Buchholz-Rosengarten eine Saison in der zweiten und führte Werder Bremen zur Meisterschaft in der dritten Liga. Ein Leben für den Handball. „Ich war vor meinen Schwangerschaften immer sehr aktiv und nicht ganz unsportlich“, sagt Julia Wichern. Sie lächelt.

Und sie hatte Glück. Glück bei den Geburten, Glück während ihrer bisherigen Laufbahn, was schwere Verletzungen angeht, sie hat einen sportbegeisterten Ehemann, pflegeleichte Kinder und die Großeltern in der Nähe. Nur die Schulterverletzung im letzten Jahr in Buxtehude war etwas langwieriger. Julia Wichern ist quasi ein Dauerbrenner. „Mein Frauenarzt ist Handballfan“, erzählt sie. Seinen Job hat er aber dennoch akribisch gemacht. Nach sechs Wochen kam immer das Okay, weil nach den Schwangerschaften alles gut verheilt war.

Mannschaftsärztin hält sie für eine Ausnahmeathletin

Die Mannschaftsärztin der Handballerinnen des VfL Stade, Andrea Rathje, hält Julia Wichern für eine Ausnahmeathletin, und ihre Comebacks für ein Phänomen. „Eine Rückkehr auf das Handballfeld nach sieben Wochen ist außergewöhnlich früh. Im Durchschnitt dauert so etwas um einiges länger“, sagt Rathje. Wie entwickeln sich die inneren Organe, die Muskulatur, die Gelenke, das Gewebe, die Sehnen, die Bänder nach Schwangerschaften? Bis alles wieder so entwickelt ist wie vor der Schwangerschaft, vergehen, so die Ärztin, in der Regel mehrere Monate. „Bei Julia gibt es offenbar eine Kombination von vielen günstigen Einflüssen“, sagt Rathje.

Julia Wichern ist beim VfL Stade eine Spielerin, die den Unterschied macht. Mit 34 Jahren und drei Kindern. „Wenn die Gegenspielerinnen das wüssten, würde es sie wurmen“, sagt Wichern. In der laufenden Saison erzielte sie bislang in 16 Spielen 103 Tore. Damit rangiert sie auf der Liste der Torschützinnen auf dem fünften Platz. 261 Handballerinnen sind in dieser Statistik des Deutschen Handball-Bundes aufgeführt.

Spiel gegen Todesfelde wird zum Pflichtsieg

In der Vorsaison, in der der VfL Stade Oberliga-Meister wurde und den Aufstieg feierte, warf sie 112 Tore in 17 Spielen, nicht ganz sieben im Schnitt. Wäre sie aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht ausgefallen, hätte sich Julia Wichern die Torjägerkanone geholt. Wie beschreibt sie selbst ihre Leistung? „Ich war in dieser Saison nicht ganz bei 100 Prozent. Aber ich konnte schnell gut mitspielen.“

Vor gut zwei Wochen gegen Mönkeberg/Schönkirchen warf Julia Wichern erneut sieben Tore. Der VfL Stade gewann mit 30:29 und sicherte sich zwei wichtige Punkte im Kampf um den Klassenerhalt. „Wir müssen um jeden Punkt kämpfen“, sagt Wichern. Am Sonnabend, 25. Februar, empfängt der VfL um 16.30 Uhr in der Geestlandhalle die SG Todesfelde/Leezen. Wieder so ein Spiel, dessen Ausgang über die nahe Zukunft des VfL Stade entscheiden könnte. Mit 17:17 Punkten steht das Team auf Tabellenplatz acht von zwölf. Todesfelde ist punktgleich Siebter. Da will der VfL hin, um der Relegation oder dem Abstieg zu entgehen. „Ein Sieg gegen Todesfelde ist Pflicht“, sagt Julia Wichern.

Trainer Marinkovic schwört auf die Leistungsträgerin

Die 34-Jährige weiß nicht, wie lange sie auf diesem hohen Niveau noch Handball spielen kann. Sie schaut von Jahr zu Jahr. „Ich habe immer noch Bock und keine körperlichen Probleme“, sagt sie. Sie fragt immer ihren Trainer, Dennis Marinkovic, ob er sie noch braucht.

Und? Er braucht sie noch.

VfL-Coach: „Vorbereitung hätte besser sein können“

Der VfL Stade empfängt am Samstag (16.30 Uhr) die SG Todesfelde/Leezen in der Fredenbecker Geestlandhalle. Ein Sieg gegen den punktgleichen Tabellennachbarn wäre wichtig im Kampf um den Klassenerhalt in der Dritten Liga Nord-Ost. Das Hinspiel im Oktober verlor der VfL mit 29:34.

„Die Vorbereitung hätte besser sein können“, sagt VfL-Trainer Dennis Marinkovic mit Blick auf den krankheitsbedingt ausgedünnten Kader beim Training. Mit einem Sieg kann der VfL Stade auf einen Tabellenplatz vorrücken, der den direkten Klassenerhalt zur Folge hätte. Das sei Motivation genug, sagt Marinkovic. Michelle Strauß (krank) und Chantal Laskowski (Probleme am Bein) sind am Samstag nicht dabei.

Quelle: Stader Tageblatt / von Daniel Berlin

 

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