Quelle: Daniel Berlin (Tageblatt)
Als Anja Ziegler mit Nachnamen noch Neumann hieß, trug sie in 150 Handball-Bundesligaspielen das Trikot des Buxtehuder SV. Zwischen 2002 und 2012 erzielte sie 291 Tore für den BSV. Sieben Jahre später feiert Ziegler ihr viertes Comeback.
Beim Oberligisten VfL Stade. „Ich kann nicht ohne Handball“, sagt die heute 36-Jährige. Als Anja Ziegler vor einigen Wochen Stades Trainer Dennis Marinkovic ihr Okay gegeben hat, plante der sie gleich für das Auswärtsspiel am Sonnabend, 14. Dezember, 18.30 Uhr, beim Tabellenvierten TV Dinklage ein. Der VfL belegt derzeit Rang zwei. Vor einigen Tagen beim Mannschaftstraining schenkte Marinkovic seinem Neuzugang dann reinen Wein ein. Ziegler werde es auf dem Spielfeld mit einer der besten Rückraumlinken der Liga zu tun bekommen.
Mit einer robusten Spielerin, die schnell ist und wurfgewaltig. Mit einer, die sich beim Sprungwurf angeblich auch mal mit einem angezogenen Knie voraus Platz verschaffe. Ziegler stöhnte kurz auf ob der für sie neuen Erkenntnisse aus der Videoanalyse. Aber mehr aus Scherz. Die 36-Jährige erlebte in ihrer Karriere schon weitaus Schlimmeres. Für den VfL sei Ziegler „goldwert aufgrund ihrer Erfahrung“, sagt Marinkovic. Sie unterstütze ihn im Training und verbessere junge Spielerinnen mit ihren Tipps. Die Fitness sei noch nicht hundertprozentig da, dafür verfüge Ziegler über ein hohes spielerisches Verständnis. „Taktische Vorgabe münzt sie sofort eins zu eins um“, sagt der Trainer.

Erfahrung statt Schnelligkeit

Ziegler bestritt in der laufenden Saison bislang zwei Spiele für den VfL Stade. Beim 29:25 in Oyten erzielte sie neun Tore, beim 30:24 gegen den VfL Oldenburg III waren es fünf. Nach ihrem Ausstieg aus der Bundesligamannschaft des BSV heuerte sie schon einmal beim VfL Stade an und wurde schwanger. Eineinhalb Jahre später lief sie für die zweite Mannschaft des BSV in der dritten Liga auf. Nach einer erneuten Schwangerschaft spielte sie ein zweites Mal für den VfL, zog sich aber einen Bänderriss zu. Jetzt folgte Comeback Nummer vier. „Es fehlte einfach etwas“, sagt Anja Ziegler. Vor allem die körperliche Auseinandersetzung und mitunter das Rauslassen von Aggressionen. Als die erfahrenen Katja Wedel (ehemals Eks) und Anne Grell nach einer Auszeit wieder den Ball in die Hand nahmen, entschied sie sich ebenfalls, wieder auf Torejagd zu gehen. Außerdem ist sie die einzige Linkshänderin im Stader Kader. Das hilft weiter und erweitert die taktischen Möglichkeiten.
„Das erste Training ging“, sagt Anja Ziegler. Körperlich habe sie zwar „zu tun“ gehabt, aber das sei „überraschend gut“ gegangen. Ihr fehle noch ein wenig die Puste. Aber die komme zurück. „Muskulär merke ich natürlich, dass ich nicht mehr das jüngste Gewebe habe“, sagt Ziegler. Was Ziegler an Schnelligkeit fehlt, kompensiert sie mit Erfahrung. Sie wisse, wann sie während des Spiels eine Pause einlegen könne. „Aber im Spiel siegt meistens das Adrenalin.“

„Oberliga ist eine gute Liga“

Früher sagte sie zu sich selbst, tiefer als in der dritten Liga werde sie nicht spielen. Jetzt spielt sie in der vierthöchsten deutschen Spielklasse. „Die Oberliga ist eine gute Liga“, sagt sie. Spielerinnen wie ihre Mannschaftskolleginnen Julia Wichern oder Lara Witt könnten richtig guten Handball spielen. Wichern spielte früher ebenfalls in der Bundesliga. Mit Ziegler im Kader ist der VfL weniger ausrechenbar. Oft haben sich die Gegner nur auf Witt oder Wichern konzentriert.
„Ich mache das so lange, wie ich das Gefühl habe, gebraucht zu werden“, sagt Anja Ziegler. Was passiert nach dieser Saison? Das weiß sie noch nicht. „Ich möchte ungebunden sein und mich nicht festlegen“, sagt sie als Mutter zweier Kinder, einem achtjährigen Sohn und einer fünfjährigen Tochter. Da ist für eine langfristige Planung des wieder entdeckten Leistungssports ohnehin kaum Platz.
Ehemalige Bundesligahandballerin, jetzt aus Spaß dabei, Familienmensch, Beruf – einen Sonderstatus beschert das Anja Ziegler beim VfL Stade keineswegs. Sie trainiert, so oft sie kann. Sie spielt die Punktspiele, so oft es möglich ist. „Wenn es nicht geht, geht es eben nicht. Das ist ja kein Profisport“, sagt Ziegler. Gleichwohl gibt Trainer Dennis Marinkovic einer seiner Erfahrensten die lange Leine. „Ich halte mich ans Konzept, habe auf dem Platz aber Freiraum“, sagt Ziegler. Manchmal fordere der Coach Aktionen. Meistens kämen die ganz automatisch.
So ganz automatisch ist auch der Ehrgeiz entfacht. Zum Handball gehen, hart trainieren, Spaß haben und natürlich Erfolg. Die immer noch ganz einfache Formel einer immer noch ambitionierten Handballerin.

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